Bürgergenossenschaften
Dezember 2018
Die Wurzeln der Genossenschaften reichen zurück bis zur Industrialisierung . Damals schlossen sich Bewohner zusammen, um gemeinsam etwas gegen die schlechten Lebenssituationen zu unternehmen. Einer der Väter des modernen Genossenschaftsgedankens war der 1818 in Hamm an der Sieg geborene Friedrich Wilhelm Raiffeisen. Er widmete sich mit ganzer Kraft dem Aufbau der Genossenschaften im ländlichen Raum. Raiffeisens Heimatregion ist anerkannte Förderregion im LEADER-Programm (Verbandsgemeinden Dierdorf, Flammersfeld, Puderbach, Rengsdorf) und wird durch das Regionalmanagement der Sweco GmbH betreut. Zusammen mit den Akteuren vor Ort werden noch heute viele Projekte im Sinne Raiffeisens umgesetzt.
Heutzutage erleben die Genossenschaften im ländlichen Raum wieder einen neuen Aufschwung. Antrieb für diese Entwicklung ist vor allem der demografische Wandel, der sich negativ auf die Lebensbedingungen im ländlichen Raum auswirkt. Die Alterung und der Rückgang der Bevölkerung bedingen in vielen Kommunen geringere finanzielle Ressourcen und somit auch eine Verkleinerung ihres Handlungsspielraums. Konkret äußert sich dies beispielsweise in der Schließung von Daseinsvorsorgeeinrichtungen, wie zum Beispiel im Bereich der Nahversorgung oder der Reduzierung des öffentlichen Nahverkehrsangebots. Im Bereich der regionalen Entwicklungsplanung spielt die Einbindung der lokalen, privaten Akteure somit eine immer wichtigere Rolle. Gleichzeitig wächst das Bedürfnis vieler Menschen, selbst aktiv zu werden und eigenverantwortlich bestimmte Handlungsfelder zu steuern. Dies zeigen beispielsweise die Zahlen der Bürgergenossenschaftsgründungen, die vor allem im Energiesektor in den vergangenen Jahren stark gestiegen sind. Nach den genossenschaftlichen Prinzipien „Selbsthilfe, Selbstverantwortung und Selbstverwaltung“ schließen sich die Menschen wieder aus der „Not“ heraus zusammen, um sich gemeinsam für ein attraktiveres Lebensumfeld zu engagieren.
Durch die Novellierung des Genossenschaftsgesetzes in 2006 wurden die Gründung und Verwaltung von Genossenschaften, insbesondere für kleinere Genossenschaften, erleichtert und die möglichen Handlungsfelder auch um kulturelle und soziale Belange erweitert. Dies eröffnete weitere Aufgabenbereiche, die Bürger nun mittels des Genossenschaftsmodells eigenverantwortlich übernehmen können. Bürgergenossenschaften tragen sowohl dazu bei, Daseinsvorsorgeeinrichtungen und Infrastrukturen aufrechtzuerhalten, als auch die Gemeinschaft und die Identität mit der Region zu stärken. Sie ermöglichen es, Wertschöpfungsketten in der Region zu verankern und in Zeiten der Globalisierung den Fokus wieder auf lokale Märkte zu wenden.
Dennoch sind Bürgergenossenschaften auch mit bestimmten Risiken konfrontiert. Es sollte nicht außer Acht gelassen werden, dass die Gründung und Koordinierung sehr stark vom ehrenamtlichen Engagement der Bewohner abhängig ist. So können unter anderem Lücken entstehen durch fehlende Branchenkenntnisse oder durch die fehlende Qualifikation der Genossenschaftsmitglieder. Auch kann die anfängliche Euphorie der Gründung einer Genossenschaft nach Erfüllung des Förderzwecks sehr schnell wieder abnehmen und das Engagement der Genossenschaft negativ beeinträchtigen.
Dennoch steckt in den Bürgergenossenschaften ein großes Potential. Sie geben den vorhandenen Netzwerken und dem ehrenamtlichen Engagement einer Region einen institutionellen Rahmen, der es erlaubt, gewisse Lücken zu schließen, die der demografische Wandel hinterlässt. Sie regen die Bürger dazu an, sich wieder mehr mit ihrer Region, ihrem Lebensumfeld auseinander zu setzen und selbst aktiv zu werden.